Handbuch
zum Co-Counseln (Co-Counselling)

17 Vom Kummer zur Kraft (’Pain to Power’)

Ziel
Von einer belastenden Situation in der man begrenzt und blockiert ist, will man zu einem Bewusstsein seiner realen Möglichkeiten gelangen, so dass man diese danach ausprobieren kann.

Methode
Wenn der Klient ein Vorkommnis bearbeiten will, das ihm Stress gemacht hat, das ihn belastet und in dem er sich nur eingeschränkt handlungsfähig gefühlt hat, kann er dafür die verschiedenen Schritte dieser ’Vom Kummer zur Kraft-Technik’ benutzen, um zu einem Bewusstsein seiner Möglichkeiten und seiner Kraft zu gelangen:
1. Der Klient beschreibt im Detail eine Situation, die er belastend fand, in der er sich blockiert gefühlt hat. Die geeignete Technik dafür ist das buchstäbliche Beschreiben. Er sucht dabei den Trigger, den Auslöser für seinen Stress, für seine belastenden Gefühle, für seine unangemessenen Reaktionen. Er beschreibt diesen Trigger genau und bittet dann den Counseler, ihn immer wieder mit diesem Trigger zu konfrontieren. Das kann der Counseler tun, indem er das, was als Trigger gewirkt hat, z.B. einen Satz, eine Geste oder eine Haltung, immer aufs Neue wiederholt.
2. Danach sucht der Klient nach die Reaktionsmöglichkeiten. Er folgt immer wieder seinen Impulsen auf den vom Counseler präsentierten Trigger. Er drückt dabei möglichst alles aus, was als Handlungsimpuls hochkommt.
- mit Worten
- nonverbal
- mit Nonsens
- verrückt
- mit Gestik und Mimik
- körperlich
- wie ein Kind
- wie in einer Konversation
- durch Brabbeln
Es ist ein exzessives Brainstorming, das sich nicht auf Worte und Ideen beschränkt, sondern soweit es geht vom Klienten auch körperlich dargestellt und durchgeführt wird. Wenn er z.B. den Impuls bemerkt sich auf einen Tisch stellen zu wollen, macht er das. Falls kein Tisch vorhanden ist, stellt er sich vielleicht auf ein Kissen und denkt sich den Tisch. Wenn er so etwas tut, können plötzlich reale Möglichkeiten in sein Blickfeld rücken, an die ’vernünftig nicht zu denken’ war.
(Dieses zuerst unzensierte Arbeiten hilft dem Klienten die Vielfalt seiner Impulse und Ausdrucksmöglichkeiten in den Blick zu bekommen und seine Potentiale und seine Kraft zu spüren.)
Auch hier nimmt sich der Klient jedes Mal wenn er starke Gefühle bemerkt den Raum dafür, diese auszudrücken und sich davon zu entlasten.
3. Als nächsten Schritt benutzt der Klient die Technik Scannen: Kenne ich solch eine belastende Situation von früher?
Er nennt ein konkretes Beispiel für solch eine Situation, findet den genauen Trigger dafür und sucht wie bei 2. viele verschiedene Formen des Selbstausdrucks, mit denen er auf den immer wieder vom Counseler gegebenen Trigger reagieren kann.
Und erneut entlastet sich der Klient immer wieder von Gefühlen, die hochkommen.
Bis hierhin hat der Klient zu einer konkreten Situation, die ihm Kummer bereitet, das auslösende Moment, den Trigger kennen gelernt. Er hat seine Gefühle dazu ausgedrückt und er hat sich dadurch Entlastung verschafft. Dann hat er die verschiedenen Impulse und Reaktionen auf den Trigger bei sich erlebt und er hat auch spielerisch auf unterschiedliche Art und Weise auf den Trigger reagiert. Oft haben sich dadurch für ihn wie von selbst reale Möglichkeiten angedeutet, wie er alternativ zum geschehenen noch reagieren kann. In diesem vierten Schritt sucht er in dem, was im ’Brainstorming’ sichtbar geworden ist, nach ihm real zur Verfügung stehenden, umsetzbaren, realistischen Möglichkeiten. Er benutzt jetzt seine Kreativität und sein klares Denken und probiert verschiedene dieser Möglichkeiten aus, wie er tatsächlich mit solchen Situationen umgehen könnte. Hier benutzt er Elemente der Technik ’Handlungen Planen’. Beim Abwägen zwischen verschiedenen Möglichkeiten kann er wieder zur Verdeutlichung der Alternativen, seine Finger zu Hilfe nehmen.
Sich sehr viel angeschaut zu haben - die verschiedenen Facetten der Situation selbst und seine unterschiedlichen Impulse auf den Trigger zu reagieren - stellt die nun entwickelten Ideen und Vorstellungen seiner Möglichkeiten erst wirklich deutlich und real dar. Dies lässt den Klienten seine Kraft spüren. Es endet damit sich anzuschauen, was er in Wirklichkeit am liebsten damit machen würde.
4. Zum Schluss entlässt der Klient den Counseler aus seiner Rolle desjenigen, der für ihn den Trigger dargestellt hat.

Vorschläge des Counselers dazu
1. Beschreibe die Situation im Detail:
Welche Situation bereitet dir Kummer?
Was hast du gerochen?
Was hast du gesehen?
Wie fühltest du dich an diesem Tag?
Wann genau wurde die Situation für dich belastend?
Wo hat es angefangen?
Was war der Auslöser (Trigger) für das Gefühl?
2. Der Counseler präsentiert dem Klienten immer wieder den Trigger.
Lass alles aufkommen, was sich bei dir meldet.
Wie möchtest du reagieren?
Wann ist so etwas vorher schon einmal passiert?
Erinnert dich das an frühere Situationen?
3. Der Counseler präsentiert dem Klienten immer wieder den Trigger.
Was meldet sich in dir?
Was möchtest du tun?
Zeig das (Gefühl)!
Drück das (Gefühl) aus!
Das ist o.k. so.
Sag es!
Tu es!
Hier kannst du es tun!
Probiere das einmal ohne Worte auszudrücken!
4. Counseler präsentiert immer weiter den Trigger und sagt:
Was könntest du im realen Alltag tun, sagen?
Was möchtest du denn wirklich machen oder sagen?
Was möchtest du am liebsten sagen?
Was ist dein Traum?
Du hast vielleicht mehrere Möglichkeiten, welche gibt es noch?
Was ist realistisch?
5. Welche Person war für dich der Auslöser für die Belastung?
Welche Person sitzt hier vor dir?
In was unterscheide ich mich von XXX?


Beachte
Wenn man mit dieser Technik beginnt, sollte man in der Sitzung noch genügend Zeit haben, diese abzuschließen. Steht diese Zeit nicht mehr zur Verfügung, kann man sich vornehmen die nächste Sitzung mit dieser Technik zu beginnen.

Hintergrund
Sich an diesem 'Fahrplan' in einer Sitzung zu orientieren, kann das Steckenbleiben in dem Problem, das ständige Umkreisen der Schwierigkeiten durchbrechen und ein Bewusstsein für die eigene Stärke schaffen, da die Schwierigkeiten mit den gleichzeitig bestehenden Fähigkeiten und Möglichkeiten verknüpft werden.
Diese Technik verknüpft Schwierigkeiten mit gleichzeitig bestehenden eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten und erzeugt dadurch das Bewusstsein, dass auch in belastenden Situation auch immer ein starker, kraftvoller Teil der Person vorhanden ist.

 

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