Handbuch
zum Co-Counseln (Co-Counselling)

Die Grundtechniken

Essentieller Bestandteil jeder Co-Counsel-Sitzung ist die freie Aufmerksamkeit des Counselers für den Klienten, wie es weiter oben unter 'Grundlegende Prinzipien' beschrieben worden ist. Um möglichen Missverständnissen zu der Kapitelüberschrift zuvorzukommen, stehen auch an dieser Stelle einige Sätze zur freien Aufmerksamkeit, dem Kontext dieser „Grundtechniken“:

Der Counseler versucht für den Klienten einen Raum zu schaffen, in dem er darauf verzichtet (frei davon ist), den Klienten sich selbst gleich machen zu wollen, ihn in sein Modell von Subjektivität einzusperren. Aufmerksamkeit in solch einen Raum zu geben heißt, das Andere im Anderen wahr- und anzunehmen. Nur auf diesem Wege kann sich der Andere offen, ungeschützt und verletzlich zeigen, was eine notwendige Voraussetzung für Veränderungsprozesse ist. Das konkrete Sehen des Anderen in der Situation und das Weglassen von Interpretationen, Ratschlägen, vermuteten Zu-sammenhängen und Zusammenfassungen heißt den Anderen als Anderen in der Situation will-kommen zu heißen, ihm als Gegenüber die Hände zu reichen. Der Andere ist hier kein Alter Ego, er ist prinzipiell Anderer und Fremder den ich nicht von vorneherein beurteilen oder sogar kennen kann, sondern der mit fortgesetzt ein Rätsel bleiben wird und mich staunen lässt. Der Französische Philosoph Emmanuel Levinas hat das 1959 so ausgedrückt: "Einem Menschen begegnen heißt, von einem Rätsel wach gehalten werden.

Freie Aufmerksamkeit beinhaltet den Glauben des Counselers an die Fähigkeit des Klienten, selbst Verantwortung für sich zu übernehmen , selbst entscheiden zu können, was gut für ihn ist. In einem solchen Raum der freien Aufmerksamkeit kann der Klient etwas tun, das ihm hilft sich selbst besser in den Blick zu bekommen und das ihm Mut macht, sich selbst anzunehmen.

Verschiedene Arten, wie der Klient in seiner Sitzung arbeiten kann, sind in den folgenden Techni-ken beschrieben. Die Unterstützung des Counselers für den Klienten besteht darin, ihm vorzu-schlagen, etwas zu tun, das seinen Selbstklärungsprozess unterstützt und das ihn unterstützt, das auszudrücken, was in ihm ist. Bei diesen ‚Techniken’ geht es also dem Counseler nicht darum, sich den Anderen vom Leib zu halten, sondern Raum zu geben, damit neue Seiten von ihm (seine An-dersartigkeit) hervortreten können. Einen freien Raum, in dem der Klient mit sich etwas versuchen kann, etwas ausprobieren kann, in dem Platz ist, diesem neuen Anderen in sich selbst Ausdruck zu geben und vielleicht immer wieder die Wahrheit in der Zeile des französischen Lyrikers Arthur Rimbaud zu erleben: „Ich ist ein Anderer."

In diesem Sinne wird das, was der Klient in seiner Sitzung mit sich selbst tun kann, in diesem Manu-al ‚Techniken’ genannt.

Alle Interventionen, die sich der verschiedenen Techniken bedienen, sind demnach ausdifferenzier-te Varianten, einer einzigen Intervention, die daraus besteht, dem Anderen zu sagen: ‚Du darfst hier sein!’ ‚Wer auch immer du gerade bist, was auch immer dich gerade beschäftigt, du darfst damit hier vor mir anwesen sein und dich damit ausdrücken.’ ‚Du darfst hier sein!’ heißt: ‚Was immer dein Gedanke ist, du darfst ihn aussprechen, was immer deine Gefühle sind, du darfst sie hier zeigen, was immer dein Traum war, du darfst ihn erzählen, was immer deine Ideen sind, du darfst sie aussprechen. Hier ist der Raum in dem du dich entdecken und ausprobieren darfst. Niemand wird deshalb schlecht über dich denken. Du wirst bemerken, wenn andere gleiches vor dir tun, welches Geschenk das für den anderen ist, das sehen und hören und daran teilhaben zu dürfen.“

Diese Techniken werden in diesem Manual jeweils in 5 Schritten beschrieben:
Der erste Schritt ‚Ziel’ beschreibt die Intention des Tuns. Warum benutzt der Klient diese Technik?
der zweite Schritt ‚Methode’ beantwortet die Frage Wie kann man als Klient die Technik anwen-den?
Beispiele für unterstützende Interventionen des Counselers zu der Technik folgen im dritten Schritt.
Danach werden besondere Aspekte bei der Anwendung der Technik beschrieben. Manchmal ist es eine Betonung von bereits vorher beschriebenen Aspekten, manchmal wird hier auf eine Proble-matik hingewiesen, manchmal wird der Technik aus einer überblickenden Perspektive Beachtung geschenkt.
Unter dem letzten Punkt ‚Hintergrund’ wird die mit dieser Technik verfolgte Intention in einem weiteren psychologisch therapeutischen Kontext beschrieben.

 

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