Handbuch
zum Co-Counseln (Co-Counselling)

13 ID-Check (Identifikations-Check)

Ziel
Der ID-Check soll offenes, zugewandtes Unterstützen auch in den Fällen ermöglichen, oder wiederherstellen, in denen sich Partner von Co-Counsel-Sitzungen in irgendeiner Weise als irritierend erleben und dadurch entweder das konzentrierte an sich arbeiten oder das offene, liebevolle Unterstützen gestört ist.

Methode
Ein guter Grund für einen ID-Check ist z.B. ein starkes Gefühl, das einer der Counsel-Partner gegenüber dem Anderen erlebt (man spürt sich stark zum Anderen hingezogen, man empfindet Aversionen gegen den Anderen oder gegen bestimmte Dinge, die dieser tut oder sagt). Der Klient kann seine Sitzung auch darauf verwenden einen ID-Check mit einer dritten, nicht anwesenden Person zu machen.

Für den Identifikations-Check gibt es eine klare Struktur:

1. Man trifft eine Vereinbarung, die Zeit einer Sitzung für einen ID-Check zu verwenden.
2. Der Counseler beginnt mit der Frage an den Klienten: ‘An wen erinnere ich dich?’ (Wird der ID-Check für die Klärung der Beziehung zu einer dritten Person gemacht, kann die Frage entsprechend lauten: ’An wen erinnert dich xxx? )
3. ‘Was erinnert dich an ...?’ - ‘Sag, worin wir/sie ähnlich sind. Sei genau - beschreibe körperliche Erscheinung, Verhaltensweisen, Stimme ...)
4. Beschreibe
- deine Gefühle zu dieser Person
- was willst du zu ihr (ihm) sagen? (zum Kissen sprechen)
5. Gehe deinen Gefühlen dazu nach. / Drücke deine Gefühle dazu aus.
6. Falls nötig: Umleiten der Aufmerksamkeit, um in die Gegenwart zurückzukommen
7. Worin unterscheidet sich ... von .... (Was ist anders an ... ?)
Benutze Namen, wenn du die Unterscheidungen benennst!
Beschreibe auch die unterschiedlichen Beziehungen zu beiden!
Fahre fort, Unterschiede zu benennen, bis du Klarheit über das Getrenntsein der Personen erreicht hast!
Was hilft dir, in Zukunft die Identifikation zu vermeiden?
8. Sage klar: ‘Mir ist deutlich, ... bist nicht ... du bist ...
9. Wertschätze die eine Person, die andere Person, dich selbst.

Beachte
Wenn man jemanden kennen lernt, ist ein Teil dessen, was er bei einem auslöst, bestimmt von der Übertragung von Erfahrungen auf ihn, die man zuvor mit anderen Personen gemacht hat. Was im normalen Leben eine hilfreiche Arbeitshypothese sein kann, behindert, sobald es sich um stärkere Gefühle handelt, im Co-Counseln das Arbeiten miteinander. Es hat sich gezeigt, dass solche Irritationen oft nicht der realen Person gelten, die einem gegenübersitzt, sondern jemand dritten. Dies durch den ID-Check zu unterscheiden ermöglicht unter Umständen erst eine Partnerschaften für Co-Counsel-Sitzungen miteinander einzugehen.
Unabhängig davon, ob die starken Gefühle dem Anderen gegenüber positiv oder negativ sind, behindern sie das kraftvolle miteinander Arbeiten. Besonders gilt dies bei sexueller Anziehung.
Als Counsel-Partner kann man sich dabei auch an sich selbst erinnert fühlen. Indikator dafür sind Gedanken wie: ‘Er ist genauso wie ich’, ‘Er versteht mich sicher sehr gut’. Ich kann jemanden auch mit einer Gruppe identifizieren: ‘Ein Lehrer, der denkt bestimmt, dass er alles besser weiß!’.
Aus all diesen Gründen gibt es beim Co-Counseln die Identifikationsprobe. Sie macht den Unterschied bewusst zwischen seinem Gegenüber und demjenigen, an den man erinnert wird.
Bei einem neuen Partner für Co-Counsel-Sitzungen lassen sich manche Irritationen mit dem oben beschriebenen Identifikations-Check aufheben, manchmal sogar überraschend leicht.
Normalerweise wachsen in Co-Counsel-Partnerschaften das Vertrauen und die Offenheit füreinander von Sitzung zu Sitzung. Sollte man in und außerhalb von Co-Counsel-Sitzungen Erfahrungen miteinander gemacht haben, welche die Arbeit belasten, sollten sich beide auf jeden Fall vorher damit auseinandersetzen, bevor sie im Rahmen des Co-Counselns weiter miteinander arbeiten.
Oft hilft der gegenseitige Austausch außerhalb von Co-Counsel-Sitzungen. Man spricht über sich, fragt nach, ob man etwas richtig verstanden hat. Niemand wird dafür verurteilt, wie er ’gestrickt’ ist, jeder geht davon aus, dass der Andere sein Bestes gibt. Solange solche Irritationen nicht wirklich ausgeräumt sind, kann man nur schlecht miteinander arbeiten, wovon niemand etwas hat.

Für solche Fälle gibt es im Co-Counseln neben dem ID-Check
- den Attraktions-Check (man sollte im Netzwerk fragen, wer damit vertraut ist) Dabei werden meist im Beisein eines oder mehrerer Unterstützer z.B. die folgenden Fragen gestellt:
Was möchtest du von ... (mir)?
und was noch?
was ist dann?
Was willst du, wenn du das erreicht hast?
Was möchtest du, dass wir miteinander tun?
Was möchtest du von mir, wenn wir dann befreundet sind?
...
Oder anders beschrieben: Wenn man wirklich Interesse daran hat, mit seinem Co-Counsel-Partner befreundet zu sein, oder wenn man in ihn verliebt ist, sollte man auf jeden Fall seine Sitzungen nicht dazu benutzen, auf die eine oder andere Weise etwas zu erreichen. Die Sitzungen werden falsch, was irgendwann jeder fühlen kann. Dann stellt man anschließend vielleicht fest, dass weder eine Freundschaft entstanden ist, noch hilfreiche Co-Counsel-Sitzungen stattgefunden haben. Wenn man mit jemandem wirklich befreundet sein möchte, sollte man die Sitzungen miteinander beenden und sich so treffen, man braucht dann auch keinen Attraktions-Check. Später, wenn sich beide wieder sicher miteinander fühlen, kann man überlegen, wieder Sitzungen miteinander zu haben und sich dann vielleicht auch entscheiden, es zu lassen.

Für Konflikte zwischen Mitgliedern in einem Co-Counsel-Netzwerk gibt es
- das Konflikt-Counseln. (Auch hier kann man im Netzwerk fragen, wer damit vertraut ist.) Hier bemühen sich die am Konflikt beteiligten im Beisein eines oder mehrerer Unterstützer um ein besseres Verständnis füreinander. Voraussetzung für Konflikt-Counseln ist die freie Zustimmung jedes Beteiligten. Dazu gehört die Anerkennung, dass überhaupt ein Konflikt besteht und das gegenseitige Interesse daran, die Beziehung miteinander zu verbessern. Die folgenden von den Unterstützern moderierten Fragen aneinander sollen den Kern dessen, was im Konflikt-Counseln geschieht illustrieren:
Was möchtest du, das ... über dich weiß?
Was hast du verstanden, dass ... gesagt hat?
Hat ... dich richtig verstanden?
...
Es gibt im Co-Counseln Möglichkeiten bei der Lösung von Konflikten miteinander zu wachsen. Sollte das nicht gelingen, oder zu mühsam sein, ist immer auch eine gute Möglichkeit, dass sich beide trennen und sich andere Partner für Co-Counsel-Sitzungen suchen.

Hintergrund
Der ID-Check kann Teile der unbewussten Kommunikationsprozesse einer Sitzung deutlich machen. Wenn gegenwärtige Beziehungen durch Erfahrungen aus früheren Beziehungen verzerrt werden, dann haben wir es mit Übertragung zu tun. Die starre Wiederholung von bedeutsamen frühen Beziehungsmustern in aktuellen zwischenmenschlichen Beziehungen offenbart eine dysfunktionale Wahrnehmung, die in der Gestalttherapie als neurotische Selbstregulierung verstanden wird. F. Perls hat - in Abgrenzung zur Psychoanalyse - die Förderung von realem gegenwärtigem Kontakt in der existentiellen psychotherapeutischen Begegnung angestrebt. In diesem Sinne betrachtet Co-Counseln Übertragungen als "verzerrte Wahrnehmung", die es für das Setting von Co-Counsel-Sitzungen, so gut es geht, aufzulösen gilt. (Siehe auch ‚’Fallen für den Counseler und den Klienten’ vorne in diesem Manual).
Im Unterschied dazu arbeitet die Psychoanalyse mit diesen Übertragungsbeziehungen.

 

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