Handbuch
zum Co-Counseln (Co-Counselling)

9 Gefühle ausdrücken (’Acting into’)

Ziel
Belastende Gefühle ausdrücken und auf diese Weise Spannungen abbauen und so zu einer klareren Sicht und zu kreativerem Denken kommen.

Methode
Bemerkt der Klient in einer Co-Counsel-Sitzung hochsteigende Gefühle, kann er sie deutlicher ausdrücken, indem er dazu die passende Körperhaltungen einnimmt und die entsprechenden Gesten macht. Durch dieses auch körperliche Ausdrücken können die Gefühle manchmal so stark werden, dass sie zur Katharsis führen.
(Der Begriff ’Katharsis’ wird z.B. bei der Griechischen Tragödie benutzt. Durch die Identifikation mit der lebensechten Darstellung auf der Bühne kann der Zuschauer eine Katharsis erleben, d.h. Schrecken (phobos) angesichts der Bedrohung des Helden, psychische Spannungsentladung durch Jammer (eleos). Nach der Spannungsentladung kann der Zuschauer dann die kathartische Erleichterung und Reinigung erleben.)

- Lachen
Einem Impuls, lachen zu wollen zu folgen ist oft ohne große Widerstände möglich. Vorschläge des Counselers wie: „Atme tief ein!“ können dem Klienten helfen dem Lachen mehr Ausdruck zu geben. So kann dieser besser spüren was darin enthalten ist: Erleichterung, Hohn, Glück, Freude, Ironie. Der Klient bemerkt dabei eine von innen kommende Verstärkung, und folgt dieser. Durch zugehörige Laute, Gesten und Körperhaltungen kann er diesem Gefühl dann noch mehr Ausdruck verleihen. Einmal dem ersten Lachimpuls gefolgt, geschieht das weitere dann manchmal wie von alleine, als wenn ein Damm gebrochen wäre. Lachen befreit. Das Lachen über die eigenen selbstschädigenden Verhaltensweisen, kann einen großen mentalen Freiraum schaffen. (In den beiden Techniken ‚Durch Feiern Widersprechen’ und ‚Provokative Technik’ kommt Lachen in Co-Counsel-Sitzungen noch in einem anderen Kontext vor.)
- Trauer
Fühlt der Klient Trauer, kann er sich, um einen besseren Zugang zu diesem Gefühl zu bekommen, bequem auf den Boden legen und Arme und Beine in eine entspannte Position bringen. Gibt es den Impuls, klägliche Laute dazu machen, kann der Klient auch dem folgen und natürlich kann er weinen, wenn Tränen kommen. Irgendwann kann der Counseler dem Klienten dann auch für die Tränen ein Taschentuch reichen. Das sofort nach den ersten Tränen zu tun, ist jedoch meist nicht hilfreich und stoppt Tränenfluss und damit die Möglichkeit der Entlastung vom Gefühl. Der Counseler kann das weitere Hervortreten der Trauer unterstützen, indem er dem Klienten die Hände auf den Kopf legt und ihn sanft massiert.
- Wut
Mit einem leichten Schlagen auf ein Kissen kann der Klient eine sich gemeldete Wut weiter heraufkommen lassen. Er kann mit einem lauten ’Ich’ beginnen. Es hat sich als vorteilhaft erwiesen in diesem Prozess zu knien. Sobald tiefe Wut im Klienten hochsteigt kann er mit den Fäusten mit aller Kraft auf ein dickes Kissen oder eine Matratze schlagen und dabei laut seine Stimme gebrauchen, alles, was hochkommt kann er rufen, schreien, Töne, Worte, Sätze.
- Angst
Es ruft oft die größten Widerstände hervor seine Angst hervorkommen zu lassen. Diese Widerstände kann der Klient überwinden, indem er sich hinstellt und sich dabei vom Counseler festhalten lässt. Der Klient lässt dabei die Arme hängen und kann dabei die Hände kräftig ausschütteln. Er kann auch die Schultern in das Schütteln einbeziehen. Er atmet schnell und tief und lässt beim Ausatmen den Kiefer hängen um ihnen die Möglichkeit zu geben zu zittern. Alles was an Tönen in ihm aussteigt lässt er heraus.

Vorschläge des Counselers dazu
Neben der (1) Hilfe beim Ausdrücken der Gefühle achtet der Counseler darauf, dass die Emotionen (2) mit einem konkreten Ereignis verbunden bleiben und darauf, dass der Klient auch (3) jederzeit aus den Gefühlen herauskommen kann, wenn er will.
1. Beim Zulassen vorhandener Emotionen, dem Ermutigen diese auszudrücken
- Atme tief ein!
- Rufe etwas laut!
- Wo ist es in deinem Körper?
- Mach es, egal wie, irgendwie!
- Es ist in Ordnung zu weinen ... lachen ... schlagen ...
- Du bist hier sicher.
- Lass es heraus!
- Hier, schlage auf das Kissen!
- Schlage ( ) mehr, schlage ( ) fester!
- Nimm deine Stimme mit!
- Sag es noch einmal, ohne zu lächeln!
- Sag es noch einmal, ohne Pausen zu machen!
- Schüttle es heraus!
- Hole weiter aus (zum Schlagen)!
- Was sonst würdest du fühlen, wenn du das nicht fühlen würdest?
- ‘Ich bin wütend’, wiederhole das mal!
2. Darauf achten, dass diese Emotionen mit dem sie auslösenden Ereignis verbunden bleiben.
- Wem willst du das sagen?
- Was hat deine Wut hervorgebracht?
- Wann ist die Wut entstanden?
- Was war vor der Wut?
3. Aus Emotionen herauszuholen durch 'Buchstäbliche Beschreibung':
- Was möchtest du in der Realität deinem Boss sagen?

Beachte
Acting-Into-Techniken werden nur angewendet, wenn schon etwas von dem Gefühl erkennbar ist, wie z.B. Wut. Alle starken Emotionen sollten klar an Ereignisse gebunden bleiben und sich nicht verselbständigen. Das erfordert eine realistische Begrenzung der Geltung dieser Gefühle. Ein Beispiel: Es kann ein berauschendes Gefühl sein, in einer Sitzung seine Wut mit allem, was man hat, herauszulassen. Man fühlt sich völlig präsent und identisch mit sich selbst. Benutzt man als Klient nun Sitzungen dafür, sich wieder und wieder dieses Gefühl zu organisieren, kann sich die Wut verselbstständigen und der Klient entfernt sich vom Prozess des Verstehens und des neuen Handelns. Dadurch kann eine Co-Counsel-Sitzung für den Klienten sinnlos bis schädlich werden. Glaubt der Counseler so etwas beim Klienten zu bemerken, kann er ohne Unterlass intervenieren, so dass die Wut mit konkreten Erlebnissen verbunden, oder der Klient aus den Emotionen herausgeholt wird. In solchen Fällen ist es nötig, nachher gemeinsam über die Sitzungen zu reden.
Es ist wichtig, den Unterschied zu verstehen, dass es etwas anders ist ein Gefühl wie Angst oder Wut bei sich wahrzunehmen oder sich von diesem Gefühl zu entlasten. Ein Beispiel: Wenn jemand traurig ist, sitzt er vielleicht zusammengesunken mit hängendem Kopf da. Wenn jemand sich von der Traurigkeit entlastet, dann weint er.
Nach solchen Entlastungen sieht die Welt für den Klienten vielfach anders aus. Er spürt seine Kraft und seine Energie, er kann Dinge neu bewerten und ist oft voller Tatendrang in der äußeren Realität etwas zu bewerkstelligen.
Für den Prozess des Neubewertens kann ich als Klient meine Kraft und Energie spüren, wenn ich zu den belastenden Gefühlen mein Verlangen, das dazugehört, formuliere.

Hintergrund
Kinder entladen Spannungen meist noch spontan durch Gefühlsausbrüche. Auffälligerweise reagieren sie sich oft ab, wenn ein Ereignis vorbei ist, neuer Schmerz also nicht dazu kommen kann und zugleich noch alle Gefühle wach sind. (eine Form von ’Balance der Aufmerksamkeit’). Nach ihrem Weinen, Schreien oder Trampeln geht es ihnen meist besser. Das was sie verletzt hat, sind sie losgeworden.
Eine derartige Katharsis wird in unserer Gesellschaft meist nicht als nützlich angesehen. Vielmehr wird das offene Zeigen von Gefühlen als Zeichen von Schwäche oder kindischem Verhalten verurteilt. Selbst Kindern gestattet man solche Gefühlsausbrüche manchmal nicht und bestraft sie stattdessen.
Oft empfindet deshalb der Klient bereits die Anfänge einer Katharsis als Bedrohung und errichtet Kontrollen dagegen.

 

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