Handbuch
zum Co-Counseln (Co-Counselling)

Erweiterte und kombinierte Techniken

15 Durch Feiern Widersprechen

Ziel
Aus einer ironischen Distanz heraus soll eine Situation schrill beleuchtet werden, um darin enthaltene Gefühle deutlich an die Oberfläche kommen zu lassen.

Methode
Im Unterschied zum reinen Widersprechen wird hier einem Gefühl oder dem Urteil über eine Situation widersprochen. Eine allgemeine negative Aussage über mich selbst oder eine als schwierig erlebte Situation wird gefeiert. Zwei Beispiele:
- Aus ‘Ich habe Angst vor dieser Prüfung!’ wird: ‘Ich liebe Prüfungen ... !’ oder ‘Ich liebe es Angst zu haben ... !’
Diese Verkehrung enthusiastisch zu feiern führt oft zur Entladung von Gefühlen, wodurch der Blick wieder für vorher verborgene Fähigkeiten frei wird.
- Aus ‘Ich habe viel zu viel zu tun’ wird: ‘Ich liebe es viel zu tun zu haben, es macht mich geradezu glücklich ...’.
Man sollte darauf vorbereitet sein, dass selbst schrille Widersprüche manchmal interessante Wahrheiten enthalten können.

Vorschläge des Counselers dazu
Der Counseler macht paradoxe Interventionen, indem er Vorschläge macht, die die emotionale Bedeutung einer Situation umkehren.
Willst du feiern, dass du dir wieder einmal zu viel Arbeit zuschieben lässt?

Er kehrt eine negative Aussage des Klienten um und setzt ein ’Ich liebe es ...’ davor.
Ich liebe es, nicht beachtet zu werden.

Beachte
Paradoxe Interventionen wendet man dann an, wenn all das, was in einer Sitzung passiert, das Problem immer weiter, sozusagen unangefochten bestehen lässt.

Hintergrund
Durch Feiern widersprechen hat mit zwei Elementen anderer Therapieformen zu tun: Der paradoxen Intervention und der provokativen Therapie. Elemente solcher provozierender Techniken können in Co-Counsel-Sitzungen benutzt werden, jedoch nur bei einem entsprechenden Kontrakt zwischen zwei Partnern, die beide diese Techniken kennen. Diese herausfordernden Techniken werden jedoch nicht im Basistraining vermittelt.

Paradoxe Interventionen (Milton Erickson u.a.) werden z.B. innerhalb der systemischen Therapie angewendet. Die Methode unterstützt dort scheinbar das symptomatische oder ausgesprochen unerwünschte Verhalten, um es einzuschränken oder unter Kontrolle zu bringen. Man nennt das dort scharfzüngig „Symptomverschreibung". Das benannte unerwünschte Verhalten wird ’verschrieben’, um das eigentlich problematische Verhalten (negative Gedanken) unter Kontrolle zu bekommen. Ein einfaches Beispiel soll das verdeutlichen: Jemand hat Probleme mit dem Einschlafen. Immer wieder denkt er an die kürzer werdende Nacht und „jetzt muss ich aber einschlafen". Er verhindert jedoch gerade durch diesen Gedanken das, was er erreichen will: das Einschlafen. D. h. der Versuch der Lösung des Problems (hier: sich per Gedanke zum Einschlafen zu bringen) lässt das Problem immer größer werden (hier: man schläft erst recht nicht ein, da der Körper sich nicht entspannen kann, denn entspannen ist zum großen Teil ein unwillkürlicher Prozess.). Eine Paradoxe Intervention dazu wäre der Person „verschreiben", in einer solchen Situation zu versuchen, so lange es geht wach zu bleiben oder die Augen geöffnet zu halten. Durch diese Verhaltensanweisung lenkt die Person ihre Aufmerksamkeit weg von den beeinträchtigenden („schlafstörenden") Gedanken und schläft dann meistens ganz von alleine ein. Es wird also das unerwünschte Verhalten (Nichtschlafen) „verschrieben" - dadurch wird das eigentlich problematische Verhalten (denken, einschlafen zu müssen) verhindert und das Problem löst sich.

Provokative Therapie (Frank Farrelly, Jeffrey Wijnberg u.a.) ist eigentlich keine Therapieform, sondern mehr eine bestimmte (provozierende) Art der Kommunikation zwischen Therapeut und Klient. Mit Humor wird der Widerspruchsgeist und die Eigenständigkeit des Klienten von Beginn an geweckt und entwickelt. Sie wird in diesem Manual als Interventionsmöglichkeit in Co-Counsel-Sitzungen weiter hinten näher beschrieben.

 

25/39